Der Hausarzt gehört ins Pflegeheim

Burg | Seit Mai 2024 findet in regelmäßigen Abständen in Burg der Pflegestammtisch statt. Zu unterschiedlichen Themen mit Bedeutung für die Pflege tauschen sich Einrichtungsleitungen und Pflegedienstleitungen untereinander aus. Zum neuerlichen Stammtisch, zu dem Bürgermeister Philipp Stark einlud, waren auch Burger Hausärzte mit am Tisch. „Dies auf ausdrücklichen Wunsch der Pflegeeinrichtungen“, wie Stark informierte. Und dieser Wunsch war nicht unberechtigt. Immerhin stellt die hausärztliche Versorgung ein entscheidendes Thema für die Stadt dar. Hausärzte stellen dabei nicht nur eine medizinische Versorgungsleistung in ihren Praxen sicher, sondern auch in den Pflegeeinrichtungen der Stadt, denn mit dem Umzug in eine solche Einrichtung endet die hausärztliche Pflicht für einen Patienten nicht.

Das FAX ist überlebenswichtig

Warum der Wunsch der Pflegeeinrichtungen nach einem Gespräch mit den Hausärzten aufkam, stellte sich dann während des Stammtisches heraus. Das oftmals als veraltet angesehene FAX ist noch immer nicht aus dem Alltag von Pflegeeinrichtungen und Hausarztpraxen wegzudenken. Dr. med. Andreas Pleger brachte es auf den Punkt: „Ein Fax sehe ich visuell, höre ich akustisch. Eine E-Mail geht im Praxisbetrieb unter. Wir haben ja auch Patienten direkt im Haus.“ Und doch, so meinten die Vertreter der Pflegeeinrichtungen, würden Antworten von Hausärzten mitunter länger dauern. Auch dies erklärte sich. Zum einen sei für die Hausärzte eine Priorisierung nicht immer anhand des Faxaufbaus erkennbar, zum anderen würden bei der Anzahl der Pflegeeinrichtungen und Bewohner zur Anzahl der niedergelassenen Hausärzte „Mengen“ an Faxen täglich verschickt.

Die Erkenntnis hier: Die Qualität der Anfragen aus den Pflegeeinrichtungen müsse verbessert und die Dringlichkeit zuzüglich eines möglichen Handlungsbedarfes kenntlich gemacht werden.

Grundsätzlich erklärten die anwesenden Vertreter der Pflegeeinrichtungen, dass die Zusammenarbeit mit den Hausärzten gut sei.

Apotheken stellen Medikamente bereit

Auch die sogenannte Verblisterung, bei der in Apotheken individuelle Portionierungen für jeden Patienten erstellt und verpackt werden, war Thema. Dabei sind Spielräume innerhalb der Pflegeeinrichtungen kaum mehr gegeben und schnelle Reaktionen nur über die Hausärzte oder die Rettungsmedizin möglich. Die medikamentöse Eigenversorgung ist dabei zum Standard geworden, denn den Ärzten fehlt die Zeit, für jeden Patienten individuell Medikamente zu organisieren.

Zeit und Personal sind ein großes Problem

Zeit war das Wort an diesem Abend. Zeit bei Reaktion auf Anfragen, Zeit für die Versorgung und Zeit für die Begutachtung der Patienten. Da Bewohner von Pflegeeinrichtungen, wie jeder andere auch, eine freie Arztwahl haben, kann es zu Situationen kommen, bei denen bis zu 17 Hausärzte in einer Einrichtung, teils aus Magdeburg oder Genthin, zur Visite erscheinen. Die Terminierung der Visiten ist deshalb längst Normalität und Notwendigkeit zugleich. Sowohl die Pflegeeinrichtungen als auch die Arztpraxen haben Urlaubs- und Krankenstände zu kompensieren. Und dabei sind die Hausärzte nicht die einzigen Mediziner, die Bewohner von Pflegeeinrichtungen medizinisch betreuen und behandeln. Gerade für immobile Bewohner und Patienten stellen Facharztbesuche eine Herausforderung dar. „Wir können keine Pflegefachkraft fünf Stunden für einen Termin bei einem Facharzt abstellen“, erklärte dazu Mark Döderlein-Lessmann von Cornelius Werk. Dem pflichteten alle Anwesenden bei. Die Lösung: der Anruf beim Notruf und die stationäre Einweisung zur Abklärung der Symptomatiken.

Mehr Bewohner, mehr Patienten, mehr Anforderungen

Was an diesem Abend deutlich wurde: Die Anzahl der Bewohner und Patienten sowohl in den Pflegeeinrichtungen als auch in den Arztpraxen hat sich in den letzten 30 Jahren verzehnfacht. Was das im Einzelnen bedeutet, zeigte ein Beispiel: Bis zu 50 Faxe von Pflegeeinrichtungen erhält eine Hausarztpraxis im Durchschnitt täglich. Dabei können die Ärzte selbst bei ihren Visiten nur eine Basisbetreuung und Behandlung durchführen, weil Spezialgeräte wie Elektrokardiografie oder Sonografie in den Pflegeeinrichtungen nicht möglich sind. Die neuen, versprochenen Systeme der „Telemetric“, so waren sich alle einig, könnten Verbesserungen bewirken, werden jedoch auch auf die Gesamtkosten Einfluss nehmen.

Hausärztestammtisch tagt zu parallelen Themen

Die Problematiken erkannt, erklärte Philipp Stark, dass sich die Stadt Burg und der Stadtrat für das Hausarztstipendium ausgesprochen haben. Dazu will sich die Stadt mit den Hausärzten bei deren Stammtisch unterhalten, da dies eine langfristige Planung und entsprechende finanzielle Mittel voraussetzt.

Austausch auf Augenhöhe

Am Ende des Abends gab es viele Themen, die zu vielen Erkenntnissen und dem gedanklichen Anstoßen neuer Prozesse oder zur Prozessanpassung geführt haben. Bürgermeister Philipp Stark dankte den Anwesenden für die offenen und immer respektvollen Gespräche. „Wir sind mit diesem Format auf einem guten Weg, die Herausforderungen, die uns der demografische Wandel beschert, zu meistern. Der Pflegestammtisch hilft uns dabei, Stellschrauben auch als Stadt zu erkennen und zu nutzen“, so Stark im Nachhinein.

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